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Willkürliche Entlassungen von Ärzten und Pflegepersonal in staatlichen Krankenhäusern Nicaraguas

In den letzten Tagen wurden zahlreiche Ärzte und Ärztinnen und Pflegepersonal aus staatlichen Krankenhäusern entlassen, weil sie Demonstrierende medizinisch versorgt haben. Dazu schreibt Dr. Francisco Amaya:

Zwischen Humanismus und Barbarei

Dr. Francisco Amaya[i]

Diese Zeilen schreibe ich aus tiefstem Herzen. Ich will keine Parteipolitik betreiben, sondern im Gegenteil an das Gewissen und den Geist des Humanismus appellieren. Vor 22 Jahren habe ich an der Martin-Luther-Universität in Deutschland mein Examen als Mediziner abgelegt und seitdem meinen Beruf mit der Hingabe des Künstlers ausgeübt. Ich habe mein Leben und meine Gesundheit aufs Spiel gesetzt, um Menschenleben zu retten. Bei der Behandlung meiner Patienten habe ich niemals auf ihren Glauben, ihre ethnische Zugehörigkeit, ihre gesellschaftliche Stellung oder ihre politischen Überzeugungen geachtet. Ich habe Tausende von Patienten behandelt und tausende Stunden mit Arbeit und Forschung verbracht.

Die obigen Feststellungen gelten für alle, die diesen edlen Beruf ausüben. Im Laufe meines Berufslebens habe ich mit Sondereinheiten der deutschen Polizei zusammengearbeitet und Neonazis behandelt. Diese Leute haben mich angegriffen und hätten mich umgebracht, wenn sie gekonnt hätten. Dennoch habe ich bei ihrer Behandlung keine Mühen gescheut und alle meine beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten eingesetzt. Der historische Zufall wollte es, dass sich unter meinen Patienten auch ein Leibwächter von Erwin Rommel, dem „Wüstenfuchs“ befand, der zu Hitlers besten Generälen zählte. Auch bei ihm ließ ich nichts unversucht, sein Leben zu retten. Dafür sind wir Ärzte geworden und haben den Eid des Hippokrates geschworen.

Meinen Studenten und Assistenzärzten sage ich immer wieder: „Wer sich zu dieser Tätigkeit nicht berufen fühlt, sollte sich lieber einen anderen Beruf suchen, denn die medizinische Kunst verlangt vollständige Hingabe.“

Sowohl in Deutschland als auch in Nicaragua hatte ich im Laufe meines Lebens gute Lehrer und Kollegen, die mich dazu anregten, mich täglich zu verbessern. Diese tiefe Überzeugung begleitet mich und wird das bis an mein Lebensende tun. Nichts und niemand werden mich davon abhalten, mich meinen Patienten wirkungsvoll und mit menschlicher Zuwendung zu widmen.

Deshalb hat mich die Nachricht mit Schmerz erfüllt, dass nicaraguanische Ärzte und Angehörige anderer Heilberufe entlassen worden sind, nur weil sie ihre ärztliche Pflicht erfüllt haben. Wir haben gesehen, mit welcher Hingabe sie sich in einer der schwersten Krisen unseres Landes um Verletzte bemüht haben. Ohne diese wirkungsvolle medizinische Versorgung müssten wir heute den Verlust von 1000 nicaraguanischen Brüdern und Schwestern beklagen. Diese systematische Unterdrückung ist unmenschlich und mir nur von faschistischen Regimes wie Nazideutschland bekannt. Dort verloren jüdische und oppositionelle Ärzte ihre Arbeit, sie wurde verhaftet, und viele von ihnen starben in Konzentrationslagern.

Es ist ein Jammer, dass Unkenntnis und menschliche Gefühllosigkeit heute ein Werk zerstören, das unter großer Anstrengung und vielen Opfern von den Generationen unserer Lehrer aufgebaut wurde. Zu ihnen gehörte Dr. Rigoberto Sampson Granero, aktives Mitglied der FSLN, Vizedekan der medizinischen Fakultät (1974-1979), Mitbegründer des Sandinistischen Volksheeres und erster Chef seiner medizinischen Einheiten. Er war Dekan der medizinischen Fakultät und später Rektor der Universität von Leon, in den 80er Jahren stellvertretender Gesundheitsminister, Bürgermeister von Leon, und von 2001 bis 2005 Parlamentsabgeordneter für den FSLN. Seinen akademischen Abschluss hatte er in einem der besten Krankenhäuser der USA erhalten, dem New York Hospital-Cornell Medical Center. Wäre er in den Vereinigten Staaten geblieben, hätte er sein Leben in aller Ruhe als Millionär beschließen können.

Während der Aufstände von 1978 und 1979 behandelte Dr. Rigoberto Sampson gleichermaßen im Kampf verletzte Guerrilleros wie Angehörige der Nationalgarde. Ich erinnere mich, dass ich einmal Dr. Sampson bei einer sehr komplizierten Operation assistieren musste, die die ganze Nacht dauerte. Der Patient war ein Leibwächter des FSLN-Kommandanten David Blanco. Inzwischen hat man wohl vergessen, dass diese Hände Tausende von Menschenleben gerettet haben.

Auch Dr. Javier Pastora Membreño und Dr. Gustavo Herdocia Baus waren während ihres Wehrdienstes als Ärzte in Kriegsgebieten tätig und behandelten Soldaten des Sandinistischen Volksheeres ebenso wie Angehörige der Konterrevolution. Spezialisten mit mehr als 30 Jahren Erfahrung können nicht von einem Tag auf den anderen ersetzt werden. In all den Jahren, die ich in Nicaragua gearbeitet habe, habe ich mich niemals vom politischen oder ideologischen Hintergrund des Patienten  beeinflussen lassen. Allen wurde die gleiche Aufmerksamkeit und Zuwendung zuteil. Schließlich mahnen uns unsere christlichen Prinzipien. “Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.”

Die Medizin ist eine Wissenschaft und eine Kunst und wir, die wir sie ausüben, sind ihre treuesten Anhänger. Die Medizin darf nicht zu einem Instrument faschistischer Militarisierung degradiert werden. Als Ärzte sind wir Wissenschaftler und keine Paramilitärs. Die Panamerikanische Gesundheitsorganisation (OPS), die Weltgesundheitsorganisation und alle Ärztevereinigungen der Welt müssen sich gegen diese Barbarei aussprechen. Wenn sie das nicht tun, würden sie mit ihrem Schweigen ein großes Unrecht gegenüber den medizinischen und Heilberufen begehen und einen besorgniserregenden Präzedenzfall schaffen.

Ich protestiere in aller Form gegen dieses Unrecht und bin sicher, dass diese ungerechtfertigten Entlassungen durch die Geschichte und durch ein freies und demokratisches Nicaragua rückgängig gemacht werden. Diejenigen, die ungerechterweise ihre Arbeitsstellen verloren haben, müssen wieder eingestellt und durch den nicaraguanischen Staat entschädigt werden. Zum Abschluss möchte ich an das Zitat von Albert Schweitzer erinnern: “Humanität besteht darin, dass niemals ein Mensch einem Zweck geopfert wird.”

Aus dem Spanischen von Eleonore von Oertzen

  1. August 2018

 

 

[i] Der Autor ist Internist und Facharzt für Intensiv- und Notfallmedizin sowie Spezialist für Diabetes. Er ist Mitglied der Ärztekammer von Sachsen-Anhalt, der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, der Deutschen Sepsis-Gesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin, außerdem Schriftsteller und politischer Analyst.

Ideentransfer von Süd nach Nord

Zur Bedeutung lateinamerikanischen Denkens in den Zentren der Weltgesellschaft

Prof. Dr. Peter Imbusch, Prof Dr. Matei Chihaia – Lateinamerika AG der BUW

Die Zirkulation von Wissen und Ideen in der Welt findet traditionell von „Norden“ nach „Süden“ statt: Wichtige Erfindungen, technische Fortschritte, wissenschaftliche Denkrichtungen und Theorien diffundieren seit langem aus den Zentren der Weltgesellschaft in die Peripherien, wobei die historisch entstandenen oder aktuell noch bestehenden Asymmetrien in der Produktion und Rezeption von Ideen und Wissen ohne Berücksichtigung von Herrschaftsverhältnissen und Machttechniken nicht adäquat verstanden werden können. Die Annahme, dass sich die besten Ideen quasi automatisch durchsetzen, wäre politisch mehr als naiv. Gleichwohl gibt es eine Fülle von Beispielen für Wissensbestände, Ideen und Theorien, die aus Lateinamerika stammen und in die Zentren der Weltgesellschaft ‚eingewandert‘ sind und dort ihre Wirkungen entfaltet haben. Dazu gehören im ökonomischen Bereich die Dependenztheorien oder die Realexperimente des Neoliberalismus monetaristischer Couleur, im politischen Bereich etwa Guerillataktiken und Revolutionstheorien oder auch Ideen zur Begründung eines Linkspopulismus, im kulturellen Bereich etwa die Befreiungstheologie und etliche Spielarten lateinamerikanischer Literatur.

Im interdisziplinären Workshop soll anhand konkreter Beispiele danach gefragt werden, wie und warum die Zirkulation lateinamerikanischer Ideen in diesen Fällen funktioniert hat, was konkret zur erfolgreichen Rezeption beigetragen hat, aber auch, welche Brüche, Redefinitionen und Revisionen es im Prozess der Aneignung gegeben hat.

 

Mehr Informationen:  Ideentransfer_Sued-Nord

Jahresbericht 2017

                                      Wuppertal, im Februar 2018

Liebe Matagalpa-Freunde und -Freundinnen!

Für die Spenden des letzten Jahres möchten wir uns sehr herzlich bedanken.

Das Zentrum für arbeitende Kinder „Las Hormiguitas“ („die kleinen Ameisen“) hat – wie jedes Jahr – einen Gehaltszuschuss für zwei Mitarbeiterinnen  in Höhe von 3.600 Dollar erhalten. Dieses Jahr konnten wir Las Hormiguitas durch Sammlungen bei Hochzeiten, Beerdigungen und durch besondere Einzelspenden zusätzlich das Honorar für den Tanzunterricht sowie die Kosten der mobilen Schule erstatten. Unser Mitglied Roselies Hoffmann machte wieder Bücherstände in Wuppertal und sammelte dadurch Spenden für Las Hormiguitas; sie sucht dafür weiterhin Bücher, Schallpatten, CDs, DVDs und Trödel.

Die Graphik-Werkstatt Matagalpa war mit dem Kalender 2018 unter dem Titel „Mi Poema“ (Mein Gedicht) und der Ausstellung der einzelnen Blätter in der Volkshochschule Wuppertal im November 2017 wieder erfolgreich, und es konnten mit dem Erlös entsprechend Honorare an die beteiligten Künstler*innen in Matagalpa ausgezahlt werden. Der Künstler Eckhard Froeschlin, der das Projekt seit vielen Jahren begleitet, setzt sich auch dieses Jahr für einen Verkauf in den USA ein.

Im Rahmen des Projektes „Klimapartnerschaft“ mit Matagalpa wurden Umweltbildungsprojekte und Wiederaufforstungsprojekte in Matagalpa und Umgebung durchgeführt. Das Projekt ging 2016/2017 zu Ende. Zur Zeit wird versucht, ein Folgeprojekt zu beantragen.

Im Sommer nahmen drei Pfadfinder/innen aus Matagalpa an einem großen Lager der Kreuzpfadfinder Wuppertal teil

Der Höhepunkt 2017 war eindeutig die Reise zum 30jährigen Jubiläum der Städtepartnerschaft: Wuppertals Oberbürgermeister Andreas Mucke begleitete die Band „Knapp Daneben“ nach Nicaragua. Sie „fusionierte“ dort mit „Tierra Madre“, einer Band aus Jinotega/Matagalpa zur Twin Town Friendship First Band. Es gab einen umjubelten Auftritt in Matagalpa und weitere Auftritte in Jinotega, Managua (Kulturzentrum Ruta Maya), Granada (Casa de los Tres Mundos) und am Strand.

In Matagalpa haben sich die beiden Bürgermeister Sadrach Zeledon und Andreas Mucke getroffen und ausführlich miteinander gesprochen.

Weiterhin gab es einen sehr beeindruckenden Besuch bei der Feuerwehr Matagalpa.

In Managua wurden wir freundlich von der Botschafterin empfangen und ausführlich zur Lage in Nicaragua unterrichtet.

Sozusagen den Jahresausklang bildete am 20.12.2017 im Kommunikationszentrum „Die „Börse“ in Wuppertal eine Feier zu den 30 Jahren: Wir ließen in Talkrunden die Geschichte der Partnerschaft Revue passieren und feierten danach mit Musik des Gitarristen Carlos Diaz und der Gruppe „Carretera Sur“. Vorher gab es noch eine Talkrunde zu 30 Jahren Städtepartnerschaft bei der Politischen Runde der Volkshochschule.

Im Jahr 2017 wurden 19.131  € gespendet und 2.690 € an Mitgliedsbeiträgen eingenommen.

Für das Jahr 2017  wurden Spenden für folgende Projekte überwiesen:

Schüler*innenstipendien und Studienstipendien                  4.161 Euro

Unterstützung „Las Hormiguitas“ (Zentrum für arbeitende Kinder)                                                                                                           5.039 Euro

 Spende Escuela Wuppertal                                               265 €                                     

 Infancia sin Fronteras (Kreatives Kinderzentrum)                  265 Euro

 Colectivo de Mujeres Matagalpa (Frauennetzwerk)            3.706 Euro

 Öffentliche Schule ‚Escuela Wuppertal‘, ‚Colegio Bautista‘ (Baptistische

            Schule) und die Inklusionsschule ‚Amistad‘ (Freundschaft) 1.993 Euro

                                                                                                           ———————

                  Gesamt                                                                                 15.429 Euro

Auch in Zukunft wollen wir schwerpunktmäßig das Zentrum für arbeitende Kinder Las Hormiguitas unterstützen und dem Verein in Matagalpa die Mittel für 30 Schüler*innen-Stipendien zur Verfügung stellen.

Als gegenseitige Geste zum 30-jährigen Jubiläum der Städtepartnerschaft wird voraussichtlich die Band „Tierra Madre“ nach Wuppertal eingeladen und es wird Konzerte und Begegnungen in und rund um Wuppertal geben. Am 8. März 2018 um 19.30 Uhr  wird in Wuppertal im Kino REX im Hofkamp der Film zur Bandbegegnung in Nicaragua gezeigt. Seien Sie herzlich eingeladen!

Mit herzlichen Grüßen

Ulla Sparrer